Montag, 16. April 2012

Abseits touristischer Pfade


Liebe Blogleser

Nachdem wir Euch nun lange genug mit dem nächsten Reisebericht auf die Folter gespannt haben und man im Web schon "Vermisstenanzeigen" für uns schaltet ;-), wollen wir Euch nicht länger warten lassen…
Aber zu unserer Rechtfertigung: Es lag nicht an unserer Motivation, die letzten 4 Wochen haben wir uns einfach abseits touristischer Pfade in Malawi und im Westen Tanzanias bewegt, so dass eine ausreichende Internetverbindung eher schwierig war.

Der Grenzübertritt von Sambia nach Malawi klappt reibungslos. Zu unserem Erstaunen müssen wir fast nichts bezahlen, weder Road Fees, noch Steuern, nur nach langer Diskussion eine Versicherung für's Auto bei einer nationalen Versicherungsgesellschaft. Malawi ist auf den ersten Blick sehr ursprünglich, hat aber gewisse Ähnlichkeit mit Sambia und Zimbabwe, nur noch mehr Fahrräder, die Landschaft ist deutlich hügeliger und dabei mehr bewirtschaftet.

                                Transportmittel für alles, hier Säcke voller Holzkohle

Nach 150 Kilometern erreichen wir die Hauptstadt Lilongwe. Wie viele afrikanische Hauptstädte ist sie geprägt vom Gegensatz zwischen modernen Häusern, den traditionellen Märkten mit ihren Wellblechhütten und dem spartanischen Leben der Bevölkerung. Wir bleiben nur eine Nacht in einem gemütlichen Backpacker, bevor wir den Weg zu unseren geplanten Beach-Ferien antreten. Cape MacLear, ein idyllisches Fleckchen im Süden des Malawisees, steht auf dem Programm. Relaxtes Camping mit Blick auf den See, Schnorcheln, eine nette Bar direkt am Strand, was will man mehr. Ferien vom Reisen sozusagen. Die Ortschaft haben wir als nächsten gemeinsamen Treffpunkt mit Hannes und Patrick, unserem zweiten Kalahari-Team, ausgewählt. Sie werden nach ihrer Zimbabwe – Tour zu uns stossen. Zu unserem Erstaunen gibt es in Cape MacLear, obwohl einer der bekannteren Touristenorte am See, kaum Möglichkeiten, Lebensmittel zu bekommen und wir haben es leider unterlassen, uns in Lilongwe so richtig gut einzudecken und die geschwundenen Vorräte aufzustocken. Mit Ausnahme von Gemüse und Obst, das die Einheimischen überall am Strassenrand verkaufen, besteht unsere erste Aufgabe darin, in den verschiedenen kleinen "General Dealer"- und "Shoppingcenter"-Wellblechhütten zumindest Milch, Butter, Brot, Eier und Reis zu erstehen. Es folgen zähe Verhandlungen mit Händen und Füssen und ein paar Scherzen, weil längst nicht alle englisch sprechen und weisse Touristen gerne mal einen höheren Preis zahlen... Wir haben uns aber vorher im Camp über die einzelnen Lebensmittelpreise informiert und da Verhandeln zur Mentalität der Afrikaner gehört, sind sie selbst noch zufrieden, als wir letztendlich nur den "Einheimischen-Preis" bezahlen.

                                Shoppingmeile Cape MacLear…

                                Interessiertes Publikum

Auch die lokale Bevölkerung im angrenzenden Dorf hat Gefallen an uns gefunden und so sind wir, natürlich gegen ein kleines Entgelt, zum Barbeque bei den Fischern am Strand eingeladen. Es gibt gegrillten Fisch und Hühnchen, dazu Reis und eine spezielle Sosse. Die Leute geben sich wirklich richtig Mühe, uns zu beeindrucken. Ziemlich schnell sitzt das halbe Dorf um uns herum und schaut uns beim Essen zu. Als wir sie einladen, doch mit uns zu essen, weil wir die Mengen die sie auftischen niemals alleine verschlingen können, dauert es nur Sekundenbruchteile, bis der Grill bis auf den letzten Krümel abgeräumt ist. Fast wie die Heuschrecken;-)

                                Afrikanisches Dinner am Strand

Nach zwei Tagen treffen auch Hannes und Patrick wie geplant ein. Tagsdrauf mieten wir zwei Kanus und paddeln bei schönstem Sonnenschein zu einer der vorgelagerten Inseln zum Schnorcheln. Hunderte kleiner endemische Fische schwirren dort zwischen den Steinen herum und angesichts des klaren Wassers können es sich die Herren aus den Bergen nicht verkneifen, ihre Anwesenheit auch unter Wasser zu dokumentieren.

                                Rarität; Steinmännchen unter der Wasseroberfläche

                                Wie wärs mit einem Lächeln?

Insgesamt spannen wir eine ganze Woche in Cape MacLear aus, bevor wir in das Fischerörtchen Chinteche und anschliessend nach Nkhata Bay weiterfahren, wo der Strand und der Campingplatz fast so schön sind wie am südlichen Teil des Sees. Auch hier besteht unsere einzige wirkliche Beschäftigung im täglichen Kochen, ansonsten vertreiben wir uns die Zeit mit Schwimmen und Lesen. Zwischendurch lernen wir Bao, ein Brettspiel, das die Einheimischen überall spielen und bei dem es ähnlich wie bei Abalone um Spieltaktik und Rechnen geht. Da wir neben Domino und "Knubbel" unsere Spielpalette gerne erweitern, haben wir nun unser eigenes "Mani goes to africa"-Bao-Spiel aus Holz. Und als hätten wir's nicht gewusst: Frauen sind die besseren Taktiker ;-). Trotz Fabios mathematischen Fähigkeiten lässt Fabio Anne fast immer gewinnen… ;-)

                               Gewitterstimmung am Lake Malawi (Regenzeit)

                                Kochprofis bei der Arbeit

Insgesamt hat uns Malawi sehr gut gefallen, auch wenn das Land neben dem See nach unserem Empfinden nicht allzuviel Abwechslung bietet. Im Norden des Landes gibt es noch auf einem Hochplateau einen sehr schönen Nationalpark, den wir allerdings auslassen, weil es die letzten Tage, die wir in Malawi verbringen, nur noch im Strömen regnet und wir uns nicht sicher sind, wie die Strassenverhältnisse aussehen. Dazu kommt Manis und Ninas (Auto von Hannes und Patrick) durstiges Wesen, das angesichts des Dieselproblems in Malawi (kein Diesel im ganzen Land) nicht gerade für einen Umweg von rund 250 Kilometern spricht. Aufgrund dieses Umstandes erstaunt es uns um so mehr, wie viele Autos zumindest im Umkreis der grösseren Ortschaften auf den Strassen unterwegs sind. Der Schwarzmarktpreis ist derart hoch, dass wir uns nur ungern in zusätzliche Unkosten stürzen wollen. So sind wir nicht allzu böse, als wir nach 2 Wochen das Land Richtung Tanzania verlassen.

Tanzania ist das erste richtige ostafrikanische Land, in dem auch islamische Einflüsse deutlich sichtbar sind. Die lokalen Lieblingsgetränke, Soda in jeglicher Form, werden durch tausende Pepsi- und Coca Cola –Dächer unmissverständlich jedem Besucher präsentiert. Die Menschen sind ebenso aufgeschlossen und freundlich wie in Malawi und Sambia und es dauert nicht lange, da haben wir bereits das erste Wort Suaheli gelernt: "Masungu" – weisser Mann, das uns vor allem die Kinder hinterherrufen, wenn sie uns sehen. Gerade in den entlegeneren Regionen im Westen Tanzanias kommen Touristen eher selten vorbei und so begegnen uns manche anfangs sehr zurückhaltend, weil sie sich offensichtlich nicht sicher sind, ob wir Freund oder Feind sind. Aber nach dem ersten Lächeln, dem ersten Winken oder dem ersten Händeschütteln breitet sich immer ein derart strahlenden Lachen auf den Gesichtern der Einheimischen aus, dass man das Gefühl hat, sie überschlagen sich fast vor Herzlichkeit.

                                Farbenfrohes Tanzania u.a. dank Pepsi- und Coca Cola-Dächern …

                                Aufbruchstimmung in Tanzania

Unseren ersten Stop machen wir in Mbeya, der grössten Stadt nach der Grenze Malawis, um uns dort mit allem Nötigen zu versorgen und dann weiter nordwärts in Richtung Rwanda und Uganda zu fahren, wo wir die Berggorillas sehen wollen, während Hannes und Patrick nach Zansibar zum Tauchen aufbrechen. Jungs, es war wirklich wieder eine Superzeit mit Euch und wir haben uns schon richtig an die Viererkombo gewöhnt…:-). Auf ein freudiges Wiedersehen in Kenia!

Je östlicher und nördlicher man in Afrika kommt, desto seltener werden die gut ausgebauten Campingplätze und desto öfter ist man darauf angewiesen, bei Missionen zu übernachten. Obwohl es in Mbeya sehr schöne Guest Houses und Hotels gibt, unterlassen wir den Versuch dort nach Campingmöglichkeiten zu fragen, sondern übernachten zur Einstimmung bei der christlichen Mission der Stadt, welche Camping in sehr einfachem Rahmen anbietet. Zu unserem Bedauern gehört dazu auch das Fehlen von (Sitz-)Toiletten, ab jetzt gibt es regelmässig nur noch Löcher im Boden… wir hoffen inständig, dass dies wie so manches auch nur eine Frage der Gewöhnung ist:-). Zu Abend essen wir in einem einfachen Take-Away am Strassenrand in der Nähe der Mission. Der Inhaber staunt nicht schlecht, als wir uns an einen der Tische setzen und ist sichtlich stolz, uns als seine Gäste präsentieren zu können. Es gibt Pommes Frites, diese werden nach lokaler Tradition zuerst frittiert, dann mit Zwiebeln, Pepperoni und Ei in der Pfanne zu einem Omlette gebraten und mit gut gewürzten Tomaten garniert. Mal ganz anders, aber richtig lecker! (Geschäftsidee für die Schweiz/Deutschland?)

Für die nächsten Tage nehmen wir uns eine happige Strecke von 850 Fahrkilometern vor. Diese soll uns zum Katavi Nationalpark und nach Kigoma, einem kleinen Städtchen im Norden des Tanganyika-Sees, führen, von wo aus man mit dem Boot einen Ausflug zum Chombe Stream Nationalpark unternehmen und so auf den Spuren von Jane Goodall Schimpansen beobachten kann. Wir haben die Strecke in mehreren Abschnitten geplant, müssen aber nach den ersten 80 Kilometern Teerstrasse feststellen, dass die Strecke über die Schotterpiste Richtung Norden alles andere als gut ist. Kurz bevor wir auf die Gravel-Road abbiegen, werden wir auch noch von der Polizei in einer Ortschaft gestoppt. Unsere kleine "Raserin" Anne ist zu schnell gefahren…Das 30-Schild machte an dieser Stelle aber auch wirklich keinen Sinn und der vor uns fahrende Einheimische war deutlich schneller. Ungläubig darf Anne die "45 km/h" auf der Laserpistole betrachten, nachdem sie insistiert, sie sei nicht zu schnell gewesen, höchsten 5 km/h und die Polizei müsse den vorausfahrenden Wagen erwischt haben. Der freundliche Beamte erklärt ihr, dass sie nun 60'000 Schilling (40 USD), zahlen soll, weil sie zwei Verkehrsvergehen begangen habe: Verstoss gegen das Tempo-Limit und Nichteinhaltung von Verkehrsvorschriften. Hä??? Auch die erklärenden Versuche, das sei doch dasselbe und man könne sie nicht zweimal für das gleiche Vergehen büssen, bringen nichts – zahlen oder die Beamten zur Wache begleiten. Erst als Anne eine Charmeoffensive startet und erklärt, so viel Geld hätte sie gar nicht in bar dabei und müsste zu einer Bank (die es in dem kleinen Örtchen glücklicherweise nicht gibt) und wir seien doch gerade erst in ihrem schönen Land angekommen, erklärt sich der Vorgesetzte bereit, ihr entgegenzukommen und nur 20'000 Schilling zu verlangen. Natürlich ohne Busszettel bzw. Quittung…
Auch wenn wir es nicht gutheissen, in Afrika funktioniert es bei vielen Offiziellen auf die gleiche Weise und wie wir später von anderen Reisenden und sogar Einheimischen erfahren, ist dieser Polizeiposten als einer der korruptesten im Land bekannt. Touristen werden regelmässig gestoppt und ihnen die Geschwindigkeitsmessungen vorausfahrender, viel schnellerer Einheimischer präsentiert. Anyway, eigentlich war dies ja in irgendeiner Form so zu erwarten ;-).

Weiter geht’s Richtung Sumbawanga über eine Gravel-Road, die ihren Namen wirklich nicht verdient. Obwohl es sich um eine tanzanianische Hauptstrasse handelt, kann schon der Name "Dusty-Road" als entgegenkommend bezeichnet werden. Die Strasse gehört zwar nicht in die Kategorie "anspruchsvollste Strassen" aber vermutlich sind es die zeitraubendsten und wohl anstrengensten Fahrkilometer unserer ganzen bisherigen Strecke. Sehr lehmiger Boden nach viel Regen, der das ganze Profil verklebt, Schlaglöcher ohne Ende, extrem viele und hohe Speed-Bumps auf einer Strasse, die sowieso mit max. 20-30 km/h befahren werden kann (wofür bitte das?) und dank unzähliger LKW's, die auch bei Matsch über die Strasse brettern, derart tiefe Furchen, dass wir des Öfteren mit unserem Differenzial an einem Stein anschlagen.

Da wir es am Morgen gemütlich genommen haben, sind wir nicht mehr sicher, vor Einbruch der Dunkelheit in Sumbawanga anzukommen und so entschliessen wir uns in fast schon alter Tradition, mal wieder in einem kleinen Dorf zu halten und bei Einheimischen zu übernachten. Wir stoppen an einer Schule, weil wir noch aus Zimbabwe wissen, dass die Lehrer in der Regel in der Nähe der Schule wohnen und die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen englisch spricht, relativ hoch ist. Englisch ist in den ländlichen Gebieten Tanzanias alles andere als selbstverständlich, deshalb müssen wir uns vielerorts mit Händen und Füssen durchschlagen. An der Schule treffen wir Freddy an, einen Einheimischen aus Dar Es Salaam, der in dem kleinen Dorf zu Besuch ist und der wie bestellt und nicht abgeholt auf dem grossen Stein sitzt, der auf die Schule hinweist. Er spricht erfreulich gut englisch und seine Schwester ist die Frau des Schuldirektors. Das passt doch perfekt!
Nach einem kurzen Schreck über den ungewohnten Besuch sind sie hoch erfreut und unheimlich stolz, dass wir mit unserem Auto vor ihrem Haus campieren wollen. Also manövrieren wir Mani über einen tiefen Graben von der Strasse zum Haus, in dem sie als "Brücke" notdürftig zwei schmale Streifen mit Steinen und Lehm ausgelegt haben. Nach dem Regen der letzten Tage ist die Konstruktion so weich, dass sie unter Manis Gewicht nachgibt. Was vorher schon fast abzusehen war, tritt ein: wir hängen mit den Hinterreifen im Graben fest, kein Vor und kein Zurück mehr. Na super, nun heisst es buddeln!

Es dauert keine 30 Sekunden, da haben wir etwa 50 Schaulustige um unser Auto. Es dauert wiederum auch keine weiteren 30 Sekunden, da stehen bestimmt 20 Männer des Dorfes mit Schaufeln und Spitzhacken neben Mani und machen sich ans Werk. Wir dürfen nicht helfen, fotografisch konnten wir diese schnelle und liebenswürdige Aktion leider auch nicht dokumentieren. Sie wollen Fabio partout keine Schaufel überlassen, als sie den halben Grabenrand wegschaufeln und Steine heranschleppen, um uns nach Zurücksetzen des Autos eine neue "Brücke" zu bauen. Freddy übersetzt derweil für uns und erklärt uns, dass es für das Dorf eine Ehre sei, dass Weisse es besuchen.

Nachdem wir das Auto sicher vor dem Haus des Schulleiters geparkt haben und die neugierigen Blicke der Kinder und einiger anderer Besucher befriedigt sind, lädt uns der Schulleiter ein, mit ihm und seiner Familie zu Abend zu essen. Wir lehnen natürlich nicht ab und sponsoren dazu unsere 2 Literflasche Sprite. Es gibt Ugali (der Maisbrai, den wir schon als Pap aus Südafrika kennen) mit Hühnchen und scharfem Blattspinat. Ein unterhaltsamer Abend steht uns bevor, wir müssen von unserer Reise erzählen, von Europa, während Cleophas, der Lehrer, seine Frau und Freddy Geschichten von ihrem Dorf und Tanzania erzählen. Es dauert nicht lange, da klopft der erste Besuch an der Tür und nach und nach sitzen immer mehr Bekannte und Verwandte in dem kleinen Raum, um uns zu bestaunen. Immer wieder hören wir, wie glücklich und stolz sie sind, dass wir sie besuchen und Cleophas macht die Geschichte dann auch gleich noch etwas passender: Wir seien Freunde aus Europa, die extra den schwierigen Umweg über das kleine Dorf auf sich genommen hätten, um ihn zu besuchen. Wir schmunzeln nur, sagen aber natürlich nichts :-). Hinterher erklärt er uns, dass sie in ihrem Dorf der festen Überzeugung seien, dass Gastfreundlichkeit gegenüber Besuchern, noch dazu wenn sie so ungewöhnlich sind wie wir, Gottes Wohlgefallen fördert und schon ein kurzer Besuch ihres Hauses ihnen besonderes Ansehen vor Gott gebe. So müssen wir versprechen, am nächsten Tag einen Rundgang durchs Dorf zu machen, um einigen Freunden und Verwandten von Cleophas "Hallo" zu sagen. Es sei für den Frieden im Dorf besser, wenn man die seltene Ehre teile. Nun denn… da am nächsten Tag Ostersonntag ist, versuchen sie uns mit aller Macht zu überreden, doch mit ihnen Ostern zu feiern und noch etwas länger zu bleiben. So liebenswürdig uns bisher alle Einheimischen begegnet sind, manchmal können sie ganz schön vereinnahmend sein. Nur mit Mühe und Not können wir uns herausreden, wir hätten in Rwanda das Gorillatrekking reserviert und seien dort mit Freunden verabredet. Die Strasse sei schlechter als geplant und so müssten wir ohnehin schon mit einer längeren Fahrzeit rechnen. Wir einigen uns, dass wir bis zum Mittagessen bleiben, sollen dann aber unbedingt in ihrem kleinen Haus auf einem der schmalen Sofas schlafen. Mit etwas weiterer Überredungskunst und dem Lächeln von Anne können wir das ablehnen, indem wir erklären, Mani sei unser "moving home" und sie nach einer Weile einsehen, dass wir in unserem eigenen Haus übernachten wollen. Sie lassen sich aber nicht davon abbringen, für uns nach der langen Fahrt zumindest noch ein heisses Bad vorzubereiten, wobei "Bad" etwas übertrieben ist. Es gibt auf dem Feuer erwärmtes Wasser in einer Schüssel, dazu einen Waschlappen und Seife. Wenn man sich auf den Boden kniet und den Kopf über die Schüssel hängt, reicht es auch für's Haarewaschen und so sind sie sichtlich begeistert, als Anne mit nassen Haaren und frisch gestriegelt aus der kleinen Lehmhütte kommt :-).

                                Ihr Haus ist nur unwesentlich grösser

Nach einem langen Abend fallen wir dann todmüde ins Bett. Es ist unheimlich anstrengend, sich den ganzen Abend zu unterhalten, wenn das Gegenüber eher "Suahenglish", also eine Mischung zwischen Englisch und Suaheli statt Englisch, mit einem derart starken Akzent spricht, dass man teilweise nur erraten kann, was sie wohl meinen.

Als wir am nächsten Morgen die Autotür öffnen, schauen uns schon ein Dutzend Kinderaugen neugierig an, sind aber zufrieden, als sie uns und das Auto für ein paar Minuten betrachten dürfen. Cleophas zeigt uns die Schule und erzählt über den Unterricht, die schlechte Ausstattungssituation ihrer Schule und den Alltag der Lehrer. Zwei der sechs Klassenräume, die wir besichtigen und in denen 700 Schüler unterrichtet werden, haben weder Tische noch Bänke, die Kinder sitzen auf dem nackten Lehmboden. Die Lehrer unterrichten bis zu 100 Kinder in einer Klasse, weil das Personal fehlt und Schulmaterialien sind auch mehr als dürftig. Da lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, Kreide, die wir in Südafrika gekauft haben und eine kleine Spende für einen neuen Fussball für den Spotunterricht da zu lassen. Trotz der wenigen Möglichkeiten, die die Einheimischen haben, ist es erstaunlich, wie positiv sie eingestellt sind. Sie versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen und soweit wir das beurteilen können, haben zumindest Cleophas und seine Lehrerkollegen das in beeindruckender Weise geschafft.

                                Klassenraum für bis zu 100 Schüler

                                Schulhaus für rund 700 Kinder

Danach steht uns der versprochene, sieben Stunden (!) dauernde Rundgang im Dorf bevor. Zunächst schlendern wir mit Cleophas und einigen seiner Kollegen durchs Dorf auf einen angrenzenden Hügel, gefolgt von unzähligen neugierigen Kindern und Erwachsenen, um von dort den herrlichen Ausblick auf das Dorf und das Tal zu geniessen.

                               Stolzer Freddy präsentiert "Masungu" Anne als Dorfattraktion

Danach geht es zu bestimmt 15 Hausbesuchen (wir haben irgendwann nicht mehr gezählt), die immer gleich ablaufen: ein kurzer verdutzter Blick, als wir mit Cleophas und ein paar anderen vor der Tür stehen, dann ein freundliches "Karibu" und viel Gelächter, Händeschütteln und danach Hinsetzen, eine Cola oder Fanta trinken und mit Hilfe von Cleophas erzählen, der für uns übersetzt. Spätestens nach der achten Flasche Cola geht es Anne aufgrund der vielen Kohlensäure bereits so schlecht, dass sie nur noch mit Mühe ihren stets lächelnden, interessierten Gesichtsausdruck aufrecht erhalten kann, aber ablehnen dürfen wir natürlich auch nicht. Nach dem achten Hausbesuch können wir sie wenigstens davon überzeugen, dass es genügt, wenn wir uns eine Cola teilen, aber das anschliessende Mittagessen gibt uns dann endgültig den Rest. Es gibt Reis mit Schweinefleisch und wiederum Blattspinat. Schon die erste Portion, die auf den Teller geladen wird, ist riesig und selbst als wir aufgegessen haben und dankend ablehnen, wir seien mehr als satt, wird in einem unbeobachteten Moment der Teller wieder vollgeladen. Unsere Kontakte mit den Einheimischen sind echt erarbeitet :-).

Um 16.30 Uhr schaffen wir es dann endlich, uns auf die letzten Kilometer nach Sumbawanga zu machen. Die Verabschiedung ist ebenso herzlich wie die Begrüssung und dauert nochmals eine halbe Stunde. Immer wieder Händeschütteln, nochmal kurz erzählen und als Anne dann auch noch erklärt, dass man sich in Deutschland mit besonders guten Freunden zur Verabschiedung umarmt, ein herzlichen Drücken allerseits. Cleophas' Frau, die anfangs relativ schüchtern ist, weil sie kaum englisch spricht, hat an der Geste eine derartige Freude, dass sie Anne zum Abschied gleich dreimal umarmt. So können auch wir ihnen noch ein wenig von unseren Bräuchen hinterlassen :-).

                                Abschied nehmen fällt ihnen schwer :-)

Cleophas nimmt schließlich auf dem Beifahrersitz Platz, weil auch er nach Sumbawanga muss und wir uns so zumindest ein klein wenig für die Gastfreundschaft revanchieren können. In Sumbawanga zahlen wir ihm natürlich auch noch die Übernachtung, auch wenn wir ihn dazu erst überreden müssen und er es ablehnt, mit uns in einem der teureren Hotels zu übernachten, bei dem wir auf dem Parkplatz campen dürfen. Letztlich sind wir darüber aber nicht allzu böse, nachdem Anne mit extremen Magenschmerzen (zuviel Cola getrunken, zuviel gegessen) mehr oder weniger nur noch auf allen Vieren ins Bett kriechen kann.

Wir beschliessen am nächsten Tag, einen Tag länger in Sumbawanga zu bleiben, um uns etwas zu erholen und weil wir von anderen Reisenden gehört haben, dass die kommenden Fahrkilometer zum Katavi Nationalpark und nach Norden nicht weniger anstrengend werden. So können wir die Zeit nutzen, um mit Hilfe des belgischen Eigentümers des Hotels einen Mechaniker zu suchen, der uns einen tropfenden Dichtungsring zwischen Kardanwelle und Getriebe (das hatten wir doch schon mal?) und die angesichts der schlechten Strasse auf den letzten Kilometern völlig ausgeschlagenen Gummis des vorderen Stabilisators ersetzen kann. Wir staunen nicht schlecht, als nach kurzer Zeit ein Einheimischer mit diversen Plastiktüten, in denen er sein Werkzeug verstaut hat, vor unserem Wagen steht und direkt auf dem staubigen Hotelparkplatz den Dichtungsring und die Gummis auswechseln will. Und danach haben wir dann sprichwörtlich Sand im Getriebe, oder wie?
Besonders Anne ist äusserst skeptisch, als er sich auf mehreren grossen Planen liegend, die er fein säuberlich unter dem Auto ausbreitet, ans Werk macht. Nachdem alles abgeschraubt ist, natürlich unter den kritischen Blicken unserer Chefmechanikerin (sie hat ihm dann doch mal lieber verschiedene Schüsselchen hingestellt, damit wir nachher die diversen Schrauben von Bodenplatte, Kardanwelle, Getriebe, Stabilisator usw. überhaupt noch auseinanderhalten können und die Ausrichtung der Kardanwelle angezeichnet), vergehen geschlagene 2 ½ Stunden, bis er mit den Ersatzteilen wiederkommt. Er hat (vermeintlich) Toyota Originalteile besorgt und wenn wir dem Besitzer des Hotels glauben dürfen, ist er in dieser Hinsicht und auch sonst sehr zuverlässig. Insgesamt dauert es sieben Stunden, bis alle Teile ersetzt und wieder angeschraubt sind und hätten wir selbst nicht so viel Werkzeug, das wir ihm leihen können, würden wir wahrscheinlich noch heute in Sumbawanga auf dem Parkplatz stehen. Er arbeitet jedoch sehr sorgfältig und nach den weiteren 600 Kilometern schlechtester Strecke bis nach Kigoma können wir sagen, dass er es wirklich gut gemacht hat. Die Gummis vom Stabilisator sitzen bombenfest und das Getriebe leckt auch nicht mehr. Sollte sich also jemals jemand in den Westen Tanzanias in die Kleinstadt Sumbawanga verirren und Probleme mit dem Auto haben, können wir "Mr. Kaunda", den man über den Besitzer des Forrest Way Country Clubs erreicht, mit gutem Gewissen empfehlen.

Die nächsten beiden Tage legen wir, wie oben angesprochen, die restlichen rund 600 Kilometer bis nach Kigoma zurück, über ausgewaschene Buckelpisten, durch Schlamm und auf einer Strasse so schmal und wenig befahren, dass wir manchmal Zweifel haben, ob wir wirklich auf einer der Hauptrouten Tanzanias nach Norden unterwegs sind. Den Katavi Nationalpark durchfahren wir nur auf der gebührenfreien Hauptstrecke und entscheiden uns gegen einen eigentlichen Parkbesuch, da es in der Nacht zuvor wieder heftig geregnet hat und wir vor dem Parkeingang von etlichen Tse-Tse-Fliegen begrüsst werden. Als wir beim Durchqueren auf der Hauptstrasse anhalten, um einem liegengebliebenen Einheimischen, der uns nach Wasser fragt, die Wasserflasche aufzufüllen, dauert es keine 5 Sekunden und wir haben fast ein Dutzend der aggressiven Biester durch die offenen Fenster in unserem Auto. Anne wird zweimal gestochen, bevor wir alle verscheuchen bzw. erschlagen können und so legen wir die restlichen 50 Kilometer durch den Park trotz äusserst schwülen 30 Grad nur noch mit geschlossenen Fenstern zurück. Jedesmal, wenn wir abbremsen, um Mani über eines der Schlaglöcher zu buchsieren, kleben die Viecher zu Hauf an unseren Fensterscheiben. Fotosafari wäre also nur eingeschränkt möglich und so düsen wir nach einer kurzen Übernachtung ausserhalb des Parks bis zum Jakobson Beach am Tanganyika-See weiter. Für die 320 Kilometer vom Nationalpark bis zum Beach brauchen wir geschlagene 9 ½ Stunden, wobei die letzten 120 Kilometer gute Gravel- bzw. Teerstrasse sind. Eine Aussage über den übrigen Strassenzustand erübrigt sich hiermit wohl…


                                 Main Road oder auch Schlammschlacht im Westen von Tanzania

                                             Mitten durch statt nur dabei!

Am Jakobson Beach erwartet uns ein idyllisches Fleckchen Erde à la Cape MacLear am Malawisee. Eine wunderschöne kleine Bucht, welche die Camper ganz für sich alleine haben, kristallklares Wasser mit Blick auf den See und die riesigen dunklen Berge der Demokratischen Republik Kongo am anderen Ufer. Wir treffen auf Christoph und Christiane mit ihren beiden Kindern, die als Entwicklungshelfer für "Ärzte ohne Grenzen" bzw. das Malteser-Hilfswerk jahrelang in der DRC gearbeitet haben und unglaublich spannende Geschichten über das Land und seine Konflikte erzählen können. Von ihnen erhalten wir viele tolle Tips für unsere Weiterreise nach Rwanda, Uganda und Kenia und so revanchieren wir uns mit einem Abendessen, indem wir in Kigoma Fisch organisieren, den wir diesmal selbst ausnehmen müssen (das ist dann Annes Aufgabe :-) und auf dem Grill in Alufolie zubereiten. Unter anderem fällt uns auf, dass in Kigoma viele gutausgestattete Autos verkehren, alle mit einem Hilfswerkskleber auf der Seite, und eines schöner als das andere. Darauf angesprochen erklärt uns Christoph die Welt der Hilfsorganisationen und deren nicht immer ganz verständliche "Geldverteilungspolitik". Die ehrliche Unterhaltung war echt interessant und gibt zum Denken Anlass, zumal wir die "Geldver(sch)wendung" nun mit eigenen Augen gesehen haben.

                                Ein traumhaftes Meer, einfach ohne Salzgeschmack

Eigentlich wollen wir von Kigoma aus die Schimpansen im Gombe Stream Nationalpark besuchen, sind aber angesichts der tanzanianischen "non resident-Preise" wieder einmal am Zweifeln, ob wir so viel Geld investieren wollen. Den Park erreicht man nur mit dem Boot und der 7-stündige Ausflug soll für uns beide 450 USD kosten. Wir hoffen noch andere interessierte Reisende zu treffen, damit wir uns zumindest die Kosten für das Boot und den Guide teilen können. Da die Reise noch andauert, gilt es das Budget so gut wie möglich einzuhalten und die wirklich teuren Aktivitäten gezielt auszulesen. Ob das Schimpansenerlebnis dazugehört, erfahrt Ihr im nächsten Blogeintrag;-).

6 Kommentare:

  1. Sie sind noch online ! Schön wieder von Euch zu hören und zu sehen das Eure Reise weiterhin so facettenreich ist.
    AAK

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  2. Hallo Ihr beiden,

    schön, dass es Euch immer noch so gut gefällt! Wie immer super Fotos und tolle Geschichten! Weiterhin viel Spaß, viel Erfolg bei der Jagd nach den Tse-Tse-Fliegen und bleibt vor allem gesund :)! Vielleicht sind die Schimpansen doch ihr Geld wert, das erlebt man ja nicht alle Tage? Bald mal wieder skypen?! Vermissen Euch!

    Knutschis

    ELC

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  3. Wie immer beim Lesen eurer Berichte, macht sich Fernweh breit;-)
    Wir sind froh, dass es Euch gut geht!

    En Gruass us Hermis
    - Indiana Oli & Corinne Jane -

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    1. Wieder ein toller und ausführlicher Erlebnisbericht, die Hauptfahrtstrecke: echt lecker! Ich bin sehr froh und gerührt, dass ihr überall von den Einheimischen so herzlich empfangen werdet. Wir haben ja soeben geskypt, gibt also nichts Weiteres zu berichten. Sehnsuchtskuss von Momi

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  4. Phu, i bin nachem läsa vu dena Schtrapaza schu fix und fertig! Jetz verwili abiz unter dr Palma vum letschta Bildli und bin denn sicher parat, wenns wider witer goht! Grüassli Vanessa

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  5. Hallo Iahr zwai!

    Lässigi Erlebnis, Kontaktbricht und au traumhafti Bilder! Es macht Spass, via Eurem Blog Euri Reis mitzverfolga :)

    Gnüssends und glG,
    Killi

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